Szenenanalyse mit Ula Pontikos (BSC)
Einleitung
Ula Pontikos (BSC) stammt ursprünglich aus Polen, ist Absolventin der London Film School und eine hoch angesehene Kamerafrau. Ihr erster Spielfilm „Weekend“ erhielt mehr als 20 internationale Auszeichnungen. Seitdem wirkte sie an einer Vielzahl von Filmen, Fernsehdramen und Werbespots mit.
Matrjoschka wurde mit der Sony VENICE gedreht und ist eine renommierte TV-Serie von Netflix, die 2019 einen Emmy in der Kategorie „Herausragende Kameraführung für eine Einzelkamera-Serie (30 Minuten)“ gewann. Sie spielt in New York und erzählt die seltsame Geschichte von Nadia Vulvokov, die in der ersten Staffel wiederholt stirbt und immer wieder dieselbe Nacht durchlebt. In der zweiten Staffel wird sie in die Vergangenheit zurückversetzt, wo sie versucht, familiäre Verfehlungen zu korrigieren. In dieser Analyse spricht Ula über einige der wichtigsten Szenen aus der zweiten Staffel.
Szenen-Dekonstruktion: wichtige Erkenntnisse
- Die Sony VENICE ermöglicht Drehs im Voll- oder Super-35-mm-Format, um unterschiedliche Looks für verschiedene Elemente einer Produktion zu erzeugen, ohne dass mehrere Kameras verwendet werden müssen.
- Unterschiedliche Beleuchtungsschemata oder Farbpaletten vermitteln dem Zuschauer, auf welcher Zeitebene er sich befindet.
Szene in New York
In New York springt Nadia zurück in die Zeit der 1980er-Jahre. Ula wollte ein starkes und unmittelbares Gefühl dieser Epoche erzeugen. Viele Aufnahmen fanden in der New Yorker U-Bahn statt, darunter in Zügen sowie innerhalb und außerhalb der Stationen.
Ula machte sich die verschiedenen Auflösungen der VENICE zunutze, um die Unterschiede zwischen Gegenwart und Vergangenheit hervorzuheben. Für Aufnahmen aus der Gegenwart wurde das 6K-Vollformat verwendet, für die aus der Vergangenheit das 4K-Super-35-Format.
Dank der kleineren Sensorgröße konnte Ula bei den Aufnahmen aus der Vergangenheit mit einer tieferen Tiefenschärfe arbeiten, wobei die Blendenöffnung nie größer als f2,8 war.
Bei den von ihr per „Rehousing“ verwendeten Objektiven handelte es sich um Vintage-Objektive von Baltar aus den 1930er-Jahren. Ula beschreibt das Bokeh dieser Objektive als „unvollkommen und gleichzeitig unglaublich“ und sie fand, dass diese in Kombination mit der tieferen Tiefenschärfe sehr gut funktionierten. Sie ist außerdem der Ansicht, dass es bei der Arbeit mit Vintage-Objektiven manchmal besser ist, einen schärferen Sensor zu verwenden, um die Weichheit der Objektive zu kompensieren.
Für Ula sehen moderne LED-Lichter anders aus als ältere. Um das Gefühl der 1980er-Jahre zu transportieren, verwendete sie viele praktische Lichter aus der Vergangenheit, z. B. Leuchtschilder sowie Wolframlicht mit Softboxen oder Ziplights. Für die Aufnahmen aus der Gegenwart setzte Ula auf ein moderneres LED-Beleuchtungspaket.
Krankenhausszene
Ula erklärt, wie für die Aufnahmen im gepolsterten Krankenzimmer ein sehr langes Set aufgebaut wurde. Der Arzt in der Szene wurde an einem Ende des Raums in der Nähe der Eingangstür platziert. Zunächst wurde Nadia am gegenüberliegenden Ende nahe der Wand platziert. Um Nadias Geisteszustand hervorzuheben, wurde ihr Stuhl auf einen Dolly gestellt, wobei die Kamera auf sie gerichtet war. Dann wurde der Dolly mit Stuhl und Kamera in Richtung Tür geführt, sodass sich der Raum im Hintergrund zu erweitern schien. Im umgekehrten Blickwinkel führte eine herkömmliche Dolly-Aufnahme vom Arzt weg. Beide Aufnahmen zusammen erzeugten ein ziemlich beunruhigendes Gefühl.
Ula beschreibt die Beleuchtung für die Szene als sehr einfach, bestehend aus einer Deckenbeleuchtungsanlage mit weicher Aufhellung von oben.
In einer Szene springt Nadia aus einem Krankenhausfenster. Die Aufnahmen im Krankenzimmer wurden vor Ort gemacht, während Nadias Landung auf dem Boden in einem Studio gedreht wurde.
DMT-Szene
Diese komplexe Sequenz zeigt Nadia in einem schwach beleuchteten Zimmer, als ein großes Bett von hinten hervorkommt. Nadia scheint dann durch das Bett zu reisen und endet in einem großen, dunklen und mit Wasser gefüllten Raum.
Ula beschreibt, wie sie die Szene mit dem Bett ursprünglich drehen wollten, doch aufgrund der komplizierten VFX-Kombinationen wurde die Szene in separate Elemente aufgeteilt. Für den Betteffekt wurde Nadia vor einem Green-Screen aufgenommen, sodass das Bett hinter ihr und um sie herum zusammengesetzt werden konnte.
Devan Catucci ist ein unglaublicher Steadicam-Bediener ... Er schwebte förmlich mit der Kamera um die Schauspieler herum ... Ich hatte Gänsehaut, als er drehte ... Alles hat so gut funktioniert und wir hatten sehr viel Spaß.
Teile der DMT-Sequenz wurden vor Ort in New York gedreht, manche in einem Bunker und andere in der U-Bahn. Zudem kam Stroboskopbeleuchtung zum Einsatz. Um all die verschiedenen Elemente miteinander zu verbinden, entschied sich Ula für ein einzigartiges Schema aus grünen und violetten Farben speziell für diese Sequenz. Es gibt eine Szene in dunklen Tunneln, in der sich die Kamera zwischen tanzenden Menschen dreht und bewegt. Als Beleuchtung dienten lediglich blinkende grüne und violette Lichter. Diese Sequenz wurde mit einer Steadicam AR aufgenommen, wobei die VENICE-Kamera auf 19 Bilder/s eingestellt war. Als Beleuchtung wurde eine Reihe von Astera-Röhrenleuchten an der Decke verwendet, die entweder grün oder violett aufblinkten. Als die Aufnahmen dann mit 24 Bildern/s abgespielt wurden, verstärkte die leichte Beschleunigung den Flimmereffekt der Lichter.
Lagerhaus-Szene
Diese Szene fand in einem großen, alten Lagerhaus statt. Ula musste diesen Tag sorgfältig planen, da das Risiko bestand, dass das Licht knapp wird, besonders in der unteren Ebene. Für die untere Etage nutzte sie fünf 9K-Lichter, die durch kleine Fenster entlang einer Seite des langen Lagerraums auf den Boden niederschlugen. Dadurch entstanden intensive Lichtstrahlen im ansonsten dunklen Innenraum.
Für Ula ist die Arbeit manchmal ein Wettlauf gegen die Zeit. Man möchte ein vorbeleuchtetes Set verwenden, jedoch funktioniert das nicht immer. TV-Dramen sind oftmals ein Kompromiss zwischen dem ausgedachten Look und dem Zeitplan. Es ist unter Umständen sehr mühsam, das gewünschte Ergebnis zu erreichen.
Zisternen-Szene
Das ist eine weitere sehr komplexe Szene. Dabei geht es um eine Kollision zwischen einem U-Bahn-Zug, Nadia und Alan, einem weiteren Charakter. Die Zugaufnahmen wurden vor Ort gemacht. Die ursprünglichen Deckenlichter im Tunnel wurden ausgeschaltet und Ula fügte ihre eigene Akzentbeleuchtung in einem blauen und roten Farbschema hinzu.
Um das Gefühl zu erwecken, dass ein Zug auf die Charaktere zufährt, platzierte sie ein paar 5K-Lichter auf einem Dolly mit Schienen und steuerte ihn auf die Kamera zu.
Nachdem sie vom Zug erfasst wurden, fallen die Schauspieler durch den Raum. Dies wurde in einem Studio mit einer Drahtseilvorrichtung gedreht. Als Nächstes werden zwei Aufnahmen desselben Raums parallel gezeigt, während Alan und Nadia durch ein Loch in das darunter liegende Wasser fallen. Dabei handelt es sich um CGI-Mischungen, wobei sich das rote Farbschema für Nadia und das blaue Farbschema für Alan weiter fortsetzt.
Anschließend werden separate Aufnahmen von Alan und Nadia im Wasser des unterirdischen Reservoirs gezeigt. Aus Sicherheitsgründen konnte Ula für diese Aufnahmen kein normales Licht auf Ständern einsetzen. Stattdessen nutzte sie einige diffuse, weiche Lichter auf schwimmenden Pontons, die sie als Rundumlicht verwendete, sowie einige Lichter, die Astera-Lampen in wasserdichten Gehäusen entsprachen und als Augenlichter dienten.
In einem anderen Teil der Szene läuft Alan im Wasser, wobei Lichtstrahlen durch vertikale Säulen scheinen. Ula verwendete dafür Sky Panels hinter den Säulen. Anschließend geht Nadia einen Korridor entlang auf die Kamera zu. In dieser Szene hat Ula die Sky Panels hinter Nadia platziert, um starke Silhouetten zu erzeugen.
Ich habe mich aufgrund des klar definierten Sensors in die Kamera verliebt, wodurch ich eine bessere Farbtrennung erhalte.
Ula arbeitet schon seit längerer Zeit mit Kameras von Sony, doch bei jedem Projekt stellt sie sich dieselben Fragen: Welche Kamera und welches Objektiv soll ich verwenden? Gleichzeitig hat sie sich aufgrund des klar definierten Sensors in die Sony VENICE verliebt, mit der sie eine bessere Farbtrennung erhält. Bei Matrjoschka wollte sich Ula die Flexibilität zwei verschiedener Sensorgrößen für die unterschiedlichen Zeitebenen zunutze machen. Sie musste nicht lange nachdenken, denn ihrer Meinung nach war die Sony VENICE die perfekte Kamera für das Projekt.