Szenendekonstruktion mit Oliver Stapleton, BSC
Einleitung
Kameramann Oliver Stapleton, BSC, kann bereits auf eine lange und illustre Karriere zurückblicken. Begonnen hat damals alles an der englischen National Film and Television School, an der er mittlerweile Co-Leiter für Filmproduktion ist. Zunächst drehte er Musikvideos mit Stars wie a-ha, David Bowie und The Rolling Stones, bevor er sich Spielfilmen zuwandte. Zu seinen Werken zählen unter anderem Mein wunderbarer Waschsalon (1985), Grifters (1990) und Gottes Werk und Teufels Beitrag (1999).
Der schlimmste Tag im Leben unter Regie von Claire Scanlon ist eine Komödie über eine dysfunktionale Familie, bei der die entfremdete Halbschwester Eloise hofft, mit ihrer Hochzeit alle Familienmitglieder wieder zusammenzuführen. Natürlich läuft dabei nicht alles nach Plan …
Szenen-Dekonstruktion: wichtige Erkenntnisse
- Ein Dreh in echtem Regen kann manchmal einfacher sein als das Filmen mit künstlichem „Filmregen“.
- Eine Chinaball-Lampe an einer Tonangel kann als sanftes Fülllicht, das sich leicht neu ausrichten lässt, für nächtliche Straßenszenen verwendet werden.
Die Straßenszene
Diese Szene findet außerhalb eines Restaurants bei Nacht statt. Die nassen Straßen schaffen interessante Reflexionen, und der Regen war relativ leicht, daher hat er den Sound nicht beeinträchtigt. Dies ist nämlich manchmal der Fall bei den lauten Pumpen, die für künstlichen Regen zum Einsatz kommen.
Ein Dreh im Regen kann jedoch zu Beleuchtungsschwierigkeiten und anderen Problemen führen. In dieser Szene verwendet der Cast Regenschirme, die sowohl Licht als auch Regen abschirmen können. Hält ein Schauspieler den Griff eines Regenschirms ganz natürlich vor sein Gesicht, dann kann es zudem sein, dass der Griff einen schmalen und möglicherweise ablenkenden Schatten auf sein Gesicht wirft.
„Als Kameramann schaut man auf den Schatten des Regenschirms auf seinem Gesicht“, erklärt Oliver. „Das Publikum tut dies aber nicht, sondern achtet darauf, was er sagt.“
Dann erläutert Oliver, dass man als Kameramann stets versucht, genau das perfekte Bild zu schaffen, aber manchmal Dinge passieren können, die man nicht möchte. Die Aufgabe des Kameramanns besteht darin, auszugleichen, wie dies dann aussieht, ohne die Leistung eines Schauspielers oder eine andere Ästhetik zu beeinträchtigen.
Zur Beleuchtung der Schauspieler verwendete Oliver Softlights von RGB als Ergänzung zu den Straßenlaternen. Diese Lampen wurden sorgsam so positioniert, dass sie den gewünschten nächtlichen Straßenlook vermitteln. Das Nutzen von RGB-Lampen machte es möglich, die Farbe des Lichts anzupassen, um das Licht aus einem Ladenfenster, eines Schilds oder einer Straßenlaterne zu imitieren. Bei den meisten Nahaufnahmen verwendete er ein wärmeres Licht für eine Seite des Gesichts eines Schauspielers und dann ein kühleres Licht auf der anderen Seite.
Dieser Farbkontrast schafft einen überzeugenden nächtlichen Look, ohne dass größere Helligkeitsunterschiede erforderlich sind. Um einige der Schatten unter den Regenschirmen zu füllen oder ein wenig Augenlicht hinzuzufügen, nutzte Oliver eine an einer Tonangel befestigte Chinaball-Lampe, die von einem Lichttechniker oder Gaffer in der richtigen Position gehalten werden konnte. Die große runde Chinaball-Lampe gibt ein sanftes Licht ab und stellte in diesem Fall ein sanftes Fülllicht statt eines Hauptlichts bereit.
Eine Funktion, die Oliver an der VENICE-Kamera besonders gut gefällt, ist ihr Dual-Base-ISO-Sensor. Durch diesen erhält die Kamera einen niedrigerer Basis-ISO-Wert für normale Tagesdrehs und einen zweiten hohen Basis-ISO-Wert, der bei Arbeiten in schwächeren Lichtverhältnissen zum Einsatz kommen kann.
„Die Fähigkeit der Kamera, den ISO-Wert zu wechseln, war unglaublich praktisch“, berichtet Oliver.
Die Flussszene
Für den Dreh dieser Tagesszene eines kleinen Partyboots, das einen breiten Fluss hinunterfährt, wurde die Hauptkamera an einem Kran auf einem flachen Kahn befestigt. Die B- und C-Kameras befanden sich auf ähnlichen flachen Kähnen. Dies ermöglichte eine sehr schnelle Neupositionierung der Kameras.
Ein Soft Bounce in einer Größe von 8 x 8 Fuß (ca. 2,5 x 2,5 m) wurde auf demselben Kahn wie der Kamerakran angebracht, um die Augen der Schauspieler zu füllen. Einer der Gründe, aus denen sich die Kameras auf drei Kähnen befanden, war das Vermitteln eines Gefühls von ständiger Bewegung und Drehung. Entweder bewegte sich das Partyboot selbst oder die Kameras wurden um das Boot herumgeführt, um dieses Gefühl einer drehenden Bewegung aufrechtzuerhalten. Die Kameras waren konstant in Bewegung, schwenkten nach oben oder unten und verstärkten so die Wahrnehmung, dass die Personen auf dem Boot immer betrunkener werden.
Alles, was man von einer Kamera verlangt, ist, keine bestimmte Farbe zu sättigend darzustellen … Die VENICE-Kamera ist sehr gut darin, genau nicht diese Art von digitalem Übersättigungslook bereitzustellen.
Oliver Stapleton
Szene nach der Party
Diese Szenen nach der Party wurden in einem großen Haus gedreht und sollen nachts stattfinden. Statt tatsächlich auch nachts zu drehen, wurden die Fenster des Hauses mit Zelten abgedeckt. Dabei wurden kleine schwarze Zelte außen über die Fenster der einzelnen Zimmer gestülpt. Dann platzierte man Lampen in diesen Zelten, damit das Licht so auf den Fensterrahmen trifft oder in das Zimmer fällt, dass es aussieht, als würden draußen Straßenlaternen stehen.
„Ich hatte das Gefühl, dass dies relativ zurückhaltend, aber nicht zu düster sein musste“, meint Oliver. „Es ist immer noch eine Komödie, und wenn man es zu dunkel gestaltet, ist es weniger lustig.“
Oliver gibt an, dass Dunkelheit angemessen sein und eine Komödie auch dunkle Szenen haben kann. Es sollte aber nicht schwarz sein, daher verwendet er gerne Practicals mit echten Glühbirnen. Wolframlampen mit Dimmern werden hier bevorzugt eingesetzt, da dies ein tolles Maß an Kontrolle bietet.
Oliver mag Beleuchtung, die wirklich zur entsprechenden Szene passt. Häufig geht es dabei dann nicht um Moodboards oder Referenzen. Stattdessen ist sein Beleuchtungsstil intuitiv: „Ich habe diese Szene gelesen, ich habe den Probedurchlauf gesehen. Ich bin der Meinung, es sollte so aussehen … Ich glaube, dass wir Filme aus dem schaffen sollten, was wir vor uns haben.“