Szenen-Dekonstruktion mit Stephen Murphy BSC, ISC

November 10, 2023

Einleitung

Stephen Murphy ist ein in Dublin (Irland) geborener Kameramann, der bereits für den ASC Award nominiert war und an einer beeindruckenden Bandbreite an Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt hat. Er ist bekannt für seine Arbeit an der britischen Polizeidrama-Serie Line of Duty aus dem Hause BBC und Staffel 3 der Disney-Produktion Atlanta mit Donald Glover.

Bei dieser Szenen-Dekonstruktion nimmt er uns mit hinter die Kulissen des Netflix-Films Niemand kommt hier lebend raus. Dabei handelt es sich im Grunde um einen klassischen Spukhaus-Film über die junge Frau Ambar, die gezwungen ist, in eine heruntergekommene, aber günstige Pension zu ziehen. Im Laufe der Geschichte können wir verfolgen, wie die Protagonistin feststellt, dass in diesem Haus nicht alles so ist, wie es sein sollte.

Szenen-Dekonstruktion: wichtige Erkenntnisse

  • Bei einem Horror- oder Spannungsfilm ist weniger manchmal mehr, denn dies ermöglicht es, dass die Zuschauer die Lücken mit ihrer eigenen Vorstellungskraft füllen können.
  • Bei den Dreharbeiten mit Schauspielern in sehr dunklen Szenen wird eine kleine Leuchte direkt unter oder über dem Kameraobjektiv befestigt. Diese kann dann als Augenlicht verwendet werden, um den ansonsten dunklen Augen des Schauspielers ein gewisses Glitzern oder Funkeln zu verleihen.

Szene „Bitte um Geld“

In dieser angespannten Szene unterhält sich Ambar in einem dunklen Flur mit ihrem Vermieter. Stephen hat sich dazu entschieden, das Gesicht des Vermieters sehr dunkel zu belassen und nur gelegentliche Lichtpunkte einfließen zu lassen, um mit der Loyalitätsgefühl des Publikums zu spielen.

Ambar im Gespräch mit ihrem Vermieter in „Niemand kommt hier lebend raus“

„Wem vertrauen wir?“, fragt Stephen. „Wie viele Informationen wollen wir in ihren Gesichtern sehen? Wie viel wollen wir in ihren Gesichtsausdrücke lesen und wie viel wollen wir der Fantasie des Publikums überlassen?“

Nahaufnahme des Vermieters in „Niemand kommt hier lebend raus“

Stephen umgibt sich gerne mit potenziell verfügbaren Lichtquellen, damit er die Kamera schnell umdrehen und die Modellierung der Schauspieler oder der Stimmung schnell ändern kann.

Szene „Allein im Schlafzimmer“

Dies ist eine weitere sehr dunkle Szene, die sich mitten in der Nacht abspielt. Die einzige Lichtquelle scheint vom Mondschein draußen zu stammen. Um diesen Look erreichen zu können, behandelte Stephen die Fenster so, dass es schwierig ist, draußen irgendwelche Details erkennen zu können. Für den Außenbereich kam ein großes sogenanntes „Translight“ (eine Art von beleuchtetem Hintergrund) zum Einsatz. Über dem Set wurden Softboxen platziert. Zum Erweitern des durch die Fenster einfallenden Lichts nutzte er eine sehr kleine Lichterkette über den Fenstern. Es sind genau diese kleinen Lichter, die die Charaktere im Raum sanft anleuchten.

Die Lichtverhältnisse sind sehr gering und Ambar ist um ca. 3 Stops unterbelichtet. Um ein gelegentliches Glitzern und Funkeln in ihren Augen zu erhalten, setzte Stephen eine sehr kleine Leuchte ein, die unter der Matte-Box der Kamera befestigt wurde. Zusätzlich verwendete er ein kleines schwaches Seitenlicht, um ihrem Gesicht nur ein wenig Kontur zu verleihen.

„Hätte ich das kleine Augenlicht nicht hinzugefügt, hätte dies die Grenze dessen überschritten, was ich als noch akzeptabel zu dunkel ansehen würde.“, erklärt Stephen.

In Vorbereitung auf den Film wurde entscheiden, dass der Zuschauer nur eine Andeutung der Gesichter der Geister sehen und sie nicht wirklich erkennen soll.

Geister drängen sich im Schlafzimmer in „Niemand kommt hier lebend raus“

Aufnahmen, die von außen in das Zimmer blicken, wurden darauf ausgelegt, fast die Perspektive des Charakters darzustellen. Das Beibehalten dieser Einstellung über einen längeren Zeitraum hilft dabei, Spannung aufzubauen.

Szene „Geister erscheinen“

Ambars Schlafzimmer wird in „Niemand kommt hier lebend raus“ von einer kleinen Nachttischlampe beleuchtet

Bei dieser Szene befinden wir uns wieder in Ambars Schlafzimmer und es ist sehr dunkel. Wir sehen Sie auf ihrem Bett und die einzige Lichtquelle ist eine kleine Nachttischlampe – eine Reflexion der Lampe ist im Spiegel zu erkennen. Das Licht der Lampe ist warm.

„Sets sollten so aufgebaut sein, dass der Hintergrund hinter den Schauspielern eine gewisse Trennung von ihren Hauttönen bietet.“, erklärt Stephen.

Ambars Gesicht ist blass und kalt. Die Set-Designer nutzen hier ein warmes Licht mit dunklen Wänden, das dabei hilft, die Schauspieler vom Hintergrund abzusetzen. Um sicherzustellen, dass er genau den gewünschten Look erzielt, machte Stephen eine Reihe von Testaufnahmen mit unterschiedlichen Farben und Wandverkleidungen. Die Lichtmenge an der Wand ist zwar ähnlich hoch wie auf Ambars Gesicht, doch die dunklen Wandverkleidungen beugen auf natürlich Weise Problemen mit Streulicht vor.

Die Sets für den Film wurden durch den Einsatz vieler kleiner schwacher praktischer Beleuchtungskörper im Endeffekt von selbst beleuchtet. Stephen entschied sich dafür, die Beleuchtung und Atmosphäre in den Zimmer nach seinen Vorstellungen zu gestalten, und fügte dann nur noch wenig zusätzliches Licht hinzu, um die Schauspieler hervorzuheben. Er nutze eine dezente zusätzliche Beleuchtung durch weiche Oberlichter mit 3 Stops Unterbelichtung. Dann setzte er Astera-Röhren und Beleuchtungssysteme von Kino Flo oder LiteMat ein, um ein wenig Seiten-, Führungs- oder Hintergrundlicht zu den Schauspielern hinzuzufügen.

Ich bin ein großer Fan des Films „Das Schweigen der Lämmer“ und liebe die direkt durch das Objektiv hergestellte Blickachse. Daher nutze ich genau das für einen kurzen Moment, wenn sich die beiden begegnen ... So fragt sich der Zuschauer, ob er ihr helfen oder sie gehen lassen wird. Dann trifft er seine Entscheidung.

Stephen Murphy, BSC

Szene „In Geiselhaft“

Geiselnahmen-Szene aus „Niemand kommt hier lebend raus“. Im Bild rechts sind die Umgebungslichtquellen eingekreist.

Diese Szene ist ein wenig anders aufgebaut: Sie findet in einem größeren Zimmer statt, das nur sehr kleine Fenster hat. Daher war hier bei der Beleuchtung ein anderes Vorgehen erforderlich. In diesem größeren Raum war es schwierig, Oberlichter zu verwenden, ohne dass diese in den Aufnahmen zu sehen waren. Um eine gewisse Umgebungsbeleuchtung herzustellen, fügte Stephen überall dort, wo sich eine Öffnung, wie beispielsweise eine Tür, befand, Mondlicht hinzu. Ein Skypanel hinter dem Glasfenster am Ende des Zimmers wurde dazu verwendet, das Licht von draußen darzustellen. Das meiste Licht stammte jedoch von Practicals oder Leuchten, die im Set versteckt waren. Bei Nahaufnahmen wurde je nach Bedarf zusätzliches Licht hinzugefügt.

Es war bei diesem Drehort wichtig, zu zeigen, dass sich dieser in einem anderen Stockwerk als die anderen Szenen befindet. Bei allen praktischen Lichtern handelte es sich um Wolframleuchten. Die Gesichter der Schauspieler wurden hauptsächlich von diesen beleuchtet und nicht vom Mondlicht, was ihnen reine Hauttöne verlieh. Für die richtige Wirkung wurde am Set dann auch noch ein roter Heizstrahler eingesetzt. Das Licht dieses Strahlers wurde durch ein farblich abgestimmtes Filmlicht verstärkt, das in die entgegengesetzte Richtung zeigte. Das rote Licht des roten Heizstrahlers wirft ein gespenstiges Licht auf die Gesichter der Schauspieler und das rote Filmlicht wirft Licht auf die Möbel im Hintergrund, um den Vordergrund vom Hintergrund zu trennen, wobei sich Ambars Silhouette vor dem roten Hintergrund abhebt.

Nahaufnahme von Cristina Rodlo als Ambar in „Niemand kommt hier lebend raus“

Stephen gibt an, dass er gerne Sensoren ausreizt, um herauszufinden, an welchem Punkt sie brechen oder auseinanderfallen, und die Dinge dann einfach ein wenig zurückdreht. Im gesamten Film hatte er die VENICE-Kamera auf 2500 ASA eingestellt.

„Ich bin damit aufgewachsen, Filme zu drehen, und liebe immer noch, wie Filme aussehen. Aus diesem Grund versuche ich immer, die digitalen Sensoren in eine filmischere Richtung zu drängen – und ich war der Meinung, dass sich dies mit der VENICE hervorragend umsetzen lässt.“

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