Szenendekonstruktion mit Nicola Daley, BSC ACS
Einleitung
Benediction von Regisseur Terence Davies ist ein hoch gelobter Film über den berühmten englischen Dichter und Schriftsteller Siegfried Sassoon, der während des ersten Weltkrieges an der Westfront diente und daraufhin mit dem Military Cross, einer der höchsten Tapferkeitsauszeichnungen der britischen Streitkräfte, ausgezeichnet wurde. Seine Dichtkunst erzählte vom Grauen des Grabenkrieges, und Benediction begleitet einen großen Teil seines Lebens von 1915 bis in die 1950er Jahre. Im Film wird der Protagonist in unterschiedlichen Lebensabschnitten von Jack Lowden und Peter Capaldi gespielt. Nicola Daley BSC, ACS gewann den ICS Best Cinematography-Preis für Benediction. In dieser Szenendekonstruktion verrät sie nun ihre Techniken, die diese tolle Geschichte zum Leben erweckt haben.
Nicola hat sich aufgrund eines vorherigen Projekts für die VENICE entschieden. Bei diesem hatte sie sich bereits in Farbverarbeitung, Farbraum und Skin-Tone-Wiedergabe der Kamera verliebt. Nachdem Nicola das Drehbuch von Benediction gelesen und verstanden hatte, wie die Geschichte durch Gesichter, Emotionen und Porträtierung erzählt werden würde, wusste sie, dass die VENICE die richtige Kamera für den Film sein würde.
Szenen-Dekonstruktion: wichtige Erkenntnisse
- Ein computergesteuerter Motion-Control-Rig ermöglicht es, eine Kamerabewegung mit immenser Genauigkeit immer wieder zu wiederholen. Dadurch können verschiedene Takes nahtlos zusammengemischt werden.
- Änderungen der Farbtemperatur der Beleuchtung können eingesetzt werden, um das Gefühl einer Zeitreise zu verstärken oder einen Gefühlsumschwung zu überspitzen – warmes Licht drückt dabei Freude aus und kühles Licht Traurigkeit.
- Eine Einstellung für längere Zeit beizubehalten, kann die Eindringlichkeit eines Moments noch betonen.
Kirchenszene
Das war ein wichtiger Moment im Film, da es das erste Mal ist, dass wir die ältere Version von Sassoon, gespielt von Peter Capaldi, sehen. Regisseur Terence Davies wollte einen sanften, fließenden und sehr subtilen „gemorphten“ Übergang von Lowden zu Capaldi. Dazu sollte die Kamera um 180 Grad um die Schauspieler herumschwenken. Nicola erkannte, dass sie zur nahtlosen Umsetzung dieser Regieanweisung ein Motion-Control-Rig benötigen würde, um Aufnahmen beider Schauspieler in durchgängiger Bewegung zu liefern. Zur weiteren Unterstützung dieses nahtlosen Übergangs wurden die Kostüme der Schauspieler sehr ähnlich gehalten. Da die Durchführung beider Aufnahmen einige Zeit dauern würde, bestand natürlich auch Bedarf an einer einheitlichen Beleuchtung.
Nicola erkannte, dass die Lichtverhältnisse in einem so großen Raum wie einer Abteikirche eine große Herausforderung für eine 180-Grad-Kamerabewegung werden würde. Es gelang ihr aber, sich die vielen Säulen im Gebäude zunutze zu machen und dahinter eine große Anzahl an SkyPanel-Leuchten zu verstecken. Das Licht jedes SkyPanel wurde mit einem 216-Gelfilter gestreut. Außerdem kamen Flags zum Einsatz, um mögliche Hotspots unter Kontrolle zu halten. Für einen einheitlichen Look des durch die hinteren Fenster der Abteikirche einfallenden Tageslichts wurde draußen eine 18K-Lampe auf einer Hebebühne platziert. Nicola erzählt, dass die Vorbereitung dieser Szene eine ganze Weile gedauert habe, sie aber das Gefühl habe, dass der Aufwand es wert gewesen sei, da die Einstellung im Film für einen längeren Zeitraum beibehalten wird.
Craiglockhart-Szene
In diesem Teil des Films geht es um die Zeit, die Sassoon in Craiglockhart, einer psychiatrischen Klinik zur Behandlung von Offizieren mit Kriegsneurose, verbrachte. Das ist der Zeitpunkt, an dem er Dichter Wilfred Owen trifft. Dieser wird bald ein wichtiger Bestandteil von Sassoons Leben. Terence wollte in dieser Szene wirklich die Körpersprache der Schauspieler hervorbringen.
Am Ende der Szene gibt es einen einzigen langen Take: Die Kamera folgt den Schauspielern aus der Klinik heraus, eine Treppe hinunter und bleibt dann während der Verabschiedung auf die beiden gerichtet, bevor ein Schnitt zu einem Gegenschuss auf Owen erfolgt, der in ein Taxi einsteigt und wegfährt. Das ist das letzte Mal, dass sie einander sehen werden, da Owen bei seiner Rückkehr in den Kriegsdienst umkommt. Nicola ist der Meinung, dass die Länge dieser Aufnahme wichtig war, um die Eindringlichkeit des Moments hervorzuheben.
Es fanden zudem viele Aufnahmen in einem Sprechzimmer in der Klinik statt. Um das Gefühl verstreichender Zeit zu vermitteln, veränderte Nicola die Beleuchtung im Sprechzimmer. Aufseiten des Arztes ist der Raum ein wenig dunkler. Sie verwendete praktische Lampen mit Glühbirnen, um eine authentische Atmosphäre zu erzeugen. Auf der Raumseite von Sassoon platzierte sie eine 18K-Lampe außerhalb des Fensters. Diese wurde so positioniert, dass der Fensterrahmen einen Gobo-ähnlichen Schatten an die Rückwand des Sprechzimmers werfen würde.
Wir haben einen großen Teil des Film mit 35-, 40-mm-Objektiven gefilmt. Terence ist ein echter Fan von Medium-Shot-Einstellungen und er mag es, wenn die Kamera quasi vorne ist und die Einstellung dann in den direkten Gegenschuss wechselt. Das ist irgendwie sein ästhetischer Ansatz und sein Blick auf die Welt.
Nicola Daley
BSC ACS
Taufszene
Sassoon und seine Frau veranstalten eine Tauffeier für ihr Baby. Während sie miteinander tanzen, fällt Sassoon
in eine Erinnerungssequenz, in der wir all die Lieben seines Lebens sehen. Als schwuler Mann waren viele dieser Beziehungen mit anderen Männern, aber er hatte sich dazu entschieden, sich den Normen der damaligen Zeit anzupassen und eine Frau zu heiraten. Terence wollte die Art und Weise, auf die sich Menschen an Dinge erinnern, und die Auswirkungen des Alltags darauf, an was und wie wir uns erinnern, erkunden. Um die Illusion der Reise durch die Erinnerungen von Sassoon zu erschaffen und dem poetischen Charakter der Charaktere und des Films gerecht zu werden, setzten Terence und der Cutter des Films viele Kreuzüberblendungen ein. Die Sequenz beginnt mit einer Steadicam-Aufnahme des tanzenden Paares. Die Kamera bewegt sich zunächst um die Schauspieler herum, fokussiert dann auf ihr Spiegelbild in einem großen Spiegel und fährt in diesen hinein. Dabei beginnt sich dann der Hintergrund der Aufnahme zu füllen.
„Das war eine wirklich interessante Sequenz“, berichtet Nicola, „hier verschmelzen Terences ästhetische und poetische Art mit den visuellen Effekten.“
In der Postproduktion wurde das Spiegelbild der Steadicam aus dem Spiegel entfernt und mit Bildern ersetzt, in denen Sassoon mit seinen anderen Partnern tanzt. Nicola filmte die Tanzaufnahmen in der Spiegelwelt in einem provisorischen Greenscreen-Studio mithilfe einer einzigen Schiene und einem einzelnen Dolly. Das machte es ihr möglich, dieselbe Kamerabewegung zu wiederholen, während Siegfried mit jeder Person tanzte.
In einer weiteren Aufnahme sehen wir Sassoon, wie er aus einer Seite eines Fensters blickt, während die Porträts von Personen, an die er sich erinnert, über die andere Hälfte des Fensters überlagert werden. Für diese Sequenz wurden die Porträt-Bilder an den Orten und mit der Beleuchtung gedreht, die der ersten Begegnung mit diesen Charakteren im Film entsprachen.
In der Spiegelszene passte Nicola die Beleuchtung für jeden Partner ganz genau an. Dazu veränderte sie die Farbtemperatur-Gelfilter der Lampen, sodass die Beleuchtung mit zunehmendem Alter des Charakters kühler wird und mit einer sehr kühlen Aufnahme der älteren Version von Sassoon, gespielt von Peter Capaldi, endet. Mithilfe der Kühle der letzten Einstellung wird das Gefühl von Traurigkeit von Sassoon, der sich nicht wohl in seiner eigenen Haut fühlt, noch verstärkt.
Die Bank-Szene
Benediction endet mit einer Szene, in der wir zunächst den älteren Sassoon sehen, der in der Dämmerung auf einer Bank sitzt. Diese Einstellung verwandelt sich dann fließend in den jüngeren Sassoon und wir hören, darüber gelegt, ein Gedicht von Wilfred Owen, während die Kamera langsam hineinfährt. Nicola setzte nichts anderes als Styroporplatten ein, um ein wenig Umgebungslicht zu reflektieren und nutzte den oberen ISO-Wert von 2500 der VENICE.
„Wir hatten nur einen Versuch“, erklärt Nicola. „Und man kann in der Aufnahme tatsächlich sehen, wie das Licht erlischt. Das liebe ich total, und ich glaube, ich habe noch nie in einem Film gesehen, dass die Einstellung so lange gehalten wird, dass man das Licht tatsächlich erlöschen sieht … es ist wirklich wunderschön geworden und das ist der VENICE zu verdanken.“